Stoffwechselprobleme beim Pferd: Eine Zivilisationskrankheit
Zivilisationskrankheiten sind auch bei Pferden keine Seltenheit mehr. Diese „Wohlstandserkrankungen“ resultieren aus falschen Haltungsbedingungen. Darm, Leber und Nieren geraten dabei aus dem Gleichgewicht und können ihre vorgesehenen Funktionen nicht mehr erfüllen. Das kann vielfältige Auswirkungen haben und zu schwerwiegenden Problemen und Erkrankungen des Stoffwechsels führen.
Erste-Hilfe-Tipps bei Stoffwechselproblemen
- Absprache mit dem Tierarzt
- Fütterung dem Bedarf anpassen: Zucker, Fett und Eiweiß auf ein Minimum reduzieren und viel Rohfaser (Heu) zur Verfügung stellen, viele kleine Kraftfutterportionen mit pferdegerechten/wertvollen Inhaltsstoffen
- auf gute Futterqualität achten
- Entgiftung: nach Medikamentengabe, nach Aufnahme von giftigen Pflanzen, bei Schadstoffen oder Schimmelpilzgiften, bei Stoffwechselstörungen
- Nährstoff- und Elektrolytimbalancen ausgleichen
- bei Verspannungen im Rücken-/Beckenbereich lokale Wärmebehandlung (z.B. Moorpackung) bzw. eindecken und ggf. Physiotherapeuten/Osteopathen hinzuziehen
- Wasser soll zur freien Aufnahme verfügbar sein
Symptome von Stoffwechselerkrankungen
Jedes Pferd hat seine individuelle Konstitution und Krankheitsausprägung. Es müssen nicht zwingend alle Symptome auftreten. Wo und welche Symptome sich manifestieren, hängt davon ab, welches Organ am schwächsten bzw. am stärksten geschädigt ist.
Mögliche Anzeichen für einen gestörten Stoffwechsel:
- Müdigkeit, Erschöpfung und Leistungsabfall
- Übergewicht, schlechte Futterverwertung, Appetitlosigkeit
- Verdauungsstörungen (z.B. Blähungen, Durchfall, Kotwasser, veränderte Kotkonsistenz)
- Probleme im Haut- und Haarstoffwechsel: z.B. schuppiges oder stumpfes Fell, verzögerter Fellwechsel, brüchiges Schweif- und Mähnenhaar, Pigmentierungsstörungen, Stichelhaare, Hungerhaare (einzelne lange Haare im Fell), Sommerekzem, „Pickel“ mit bernsteinfarbener Sekretabsonderung, Juckreiz
- Neigung zu Pilz, Haarlingen und anderen Ektoparasiten
- Streifen im Fell am Rumpf, dunkle Flecken im Fell
- Schlechtes Hufwachstum, brüchiges Horn, Ringe, Hufabszesse, Strahlfäule
- Wiederkehrende Nährstoffmängel trotz ausreichender Supplementierung
- Allergieneigung, z.B. Ekzem, Nesselfieber, Husten
- Infektanfälligkeit
- schlechte Wundheilung
- angelaufene Beine, Ödeme
- Adipositas und Fettdepots
- vermehrte/verminderte Wasseraufnahme, vermehrter/verminderter Harnabsatz
- gierige Aufnahme des Salz-/Minerallecksteins
- Hufrehe
Ursachen für Stoffwechselerkrankungen
Als Hauptursache von Stoffwechselerkrankungen gelten zu wenig Bewegung und falsches Futter. Früher wurden Pferde hauptsächlich als Nutztiere gehalten und überwiegend mit Raufutter versorgt. Die tägliche Futterration wurde der Arbeit angepasst. Wer schwere Ackerarbeit leistete, bekam zusätzliche Energie in Form von Hafer zugeführt. Aus diesen Gründen muss uns einleuchten, dass der Verdauungstrakt der heutigen Freizeitpferde mit Leckerchen, Müslis und allerlei anderen Mischfuttermitteln restlos überfordert ist. Einseitige wie auch über den Bedarf hinausreichende Fütterung mit Protein und Zucker kann die natürliche (physiologische) Darmflora ebenso schädigen wie Dauerstress.
Diese Verschiebung der Darmflora ins saure Milieu nennt man Azidose (= Übersäuerung). Dabei sterben gutartige, physiologisch vorkommende Darmbakterien und Immunzellen ab. Die Darmschleimhaut verliert ihre Schutzfunktion, sodass Stoffwechselprodukte und Toxine ungehindert in den Organismus eindringen können. Latente Übersäuerung, aber auch die Aufnahme von Medikamenten (z.B. Antibiotika, Sedierungen, Cortison) oder eingelagerte Giftstoffe belasten den Stoffwechsel. Auch Schimmelpilzgifte (Mykotoxine) aus dem Futter und Belastungen durch Giftpflanzen (z.B. Herbstzeitlose, Jakobskreuzkraut) können dem Organismus schaden.
Zudem können Nährstoffdefizite ebenso wie die Überversorgung mit Nährstoffen auslösend für Stoffwechselprobleme sein. Ein entgleister Stoffwechsel führt immer zu einer Dysbalance, die sich belastend auf Leber und Nieren auswirkt. Chronische Überlastungen der Stoffwechselzentrale Leber führen zeitverzögert auch zu Nierenproblemen, da viele Giftstoffe im Körper zirkulieren, die nicht ausgeschieden werden. Umgekehrt können Nierenprobleme auch bereits vor einer Leberdysfunktion bestehen. Die Toxine werden für die spätere Entsorgung im Bindegewebe eingelagert.
Diagnose: Stoffwechselprobleme feststellen
Häufig werden Stoffwechselprobleme bei Pferden erst dann bemerkt, wenn es bereits zu spät ist und beispielsweise eine Hufrehe klinisch nachweisbar vorhanden ist. Aufgrund körpereigener Kompensationsmechanismen steigen die Diagnoseparameter im Blut erst mit fortschreitender Erkrankung an. Der Organismus ist darum bemüht, die Gesamtheit seiner Stoffwechselvorgänge im Gleichgewicht zu halten (Homöostase). Gemeint sind damit die Regulationsmechanismen des Körpers, sich an die ständig ändernden Umweltbedingungen anzupassen, um die lebenswichtigen Vitalfunktionen zu erhalten.
Überschüssige Nährstoffe werden in die Speicherorgane (Leber, Knochen, z.T. auch Nieren, Haut, Darm und andere Organe) transportiert. Beim Nährstoffmangel werden diesen Organen wiederum Nährstoffe entzogen. Erst wenn die Speicher weitestgehend aufgebraucht sind, werden Mangelerscheinungen im Blut sichtbar. Dieser Umstand ist bei der Interpretation von Blutbildern zu berücksichtigen. Auch bei Werten im Normalbereich ist eine unzureichende Versorgung nicht mit Sicherheit auszuschließen. Dies liegt zum einen daran, dass oftmals erst mit fortschreitender Erkrankung der Nachweis im Blut gelingt. Mängel weisen auf ein bereits länger bestehendes Problem hin.
Stoffwechselprobleme nicht immer im Blutbild erkennbar
Um falsche Ergebnisse zu vermeiden, ist es ratsam, die Nährstoffgabe 1-2 Tage vor einer Blutanalyse auszusetzen. Zudem können von Seiten der Labors die Referenzwerte der Diagnoseparameter variieren. Haarmineralanalysen stellen hier eine Alternative dar. Allerdings bestehen hier teilweise unschlüssige Referenzwerte, welche das Aufdecken eines Mangels wiederum erschweren. Die Interpretation verschiedener Nährstoffgehalte im Blut sollte daher immer mit Einbezug des klinischen Erscheinungsbilds des Pferdes erfolgen.
Das zugrundeliegende Problem bleibt häufig unerkannt, da Abweichungen von Referenzwerten und Organschäden im Blut erst mit fortschreitender Erkrankung sichtbar werden. Als Sitz der Gesundheit sollte dem Darm besondere Bedeutung geschenkt werden. Magen-Darm-Erkrankungen erkennt man nicht zuletzt an Kotwasser, Durchfall oder häufigen Koliken. Der Darm kann aber auch mit nicht-offensichtlichen Problemen belastet sein. Hier hat sich die Bestimmung von Indikan im Urin als Marker für Darmdysbiosen etabliert.
Leber und Nieren können Belastungen über einen längeren Zeitraum kompensieren. Das bietet dem Organismus einen gewissen Schutz. Erhöhte Blutparameter fallen jedoch erst im fortgeschrittenen Krankheitsverlauf auf. Anders als die Leber sind die Nieren nur geringfügig regenerationsfähig. Verschiedene Labore bieten spezielle Screenings für Stoffwechselerkrankungen (z.B. Equines Cushing Syndrom) an. Der Tierarzt oder Tierheilpraktiker wählt nach vorliegender Symptomatik die entsprechenden Untersuchungsparameter/Laborparameter oder Screenings aus.
Früherkennung & präventive Maßnahmen
Eine pferdegerechte, möglichst an die natürlichen Lebensbedingungen der Huftiere angepasste Haltung und Fütterung ist die beste Maßnahme, um Stoffwechselentgleisungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Doch auch, wenn bereits erste Symptome auf eine Stoffwechselüberlastung hindeuten, ist es oft noch nicht zu spät, dagegen zu steuern. Durch ein optimales Haltungs- und Fütterungsmanagement lässt sich der Fortschritt von Stoffwechselerkrankungen in vielen Fällen verlangsamen oder sogar aufhalten.
Folgende Maßnahmen sind sowohl zur Vorbeugung von Stoffwechselproblemen als auch zur Unterstützung der Therapie bewährt:
- Ausreichende Zufuhr von einwandfreiem Heu
- Ausreichend Bewegung
- Anpassung der Futterration an den tatsächlichen Energiebedarf
- Ausgewogene Nährstoffversorgung
- Weidepflege und Entwurmungsmanagement
- Kotabsatzverhalten beobachten und ggf. Verdauung unterstützen (z.B. mit Lebendhefen)
- Trinkverhalten und Harnabsatz beobachten
- Langzeitanwendung von Medikamenten möglichst vermeiden
- Leber- und Nierenfunktion durch pflanzliche und homöopathische Medikamente unterstützen (v.a. im Fellwechsel)
- im Winter/bei nasskaltem Wetter ggf. eindecken (v.a. alte Pferde mit Fellwechselproblemen)
- bei Offenstallpferden auf eine regen- und zuggeschützte Unterstellmöglichkeit achten