Die meisten unserer Pferde sind hingegen, wie oben erwähnt, dauerhaft auf einige Quadratmeter Platz beschränkt. Artgerecht wären ca. 400 Quadratmeter pro Pferd, und zwar ganzjährig.
Futter und Ernährung
Obwohl sich unzählige Pferdebesitzer viel Mühe bei der Auswahl und Kombination des Pferdefutters geben und nur das Allerbeste für das eigene Pferd möchten, werden die meisten Pferde schlichtweg krank gefüttert. Zusätzlich zur fehlenden Bewegung erhalten die Tiere oft nur zu festen Tageszeiten Nahrung, meist auch noch zu wenig qualitatives Raufutter. Wenn zu viel Getreide, Rübenschnitzel (auch unmelassierte), Bierhefe oder melassierte Müslis gefüttert werden, sind Probleme vorprogrammiert. Kritisch sind in diesem Zusammenhang auch die Weiden zu sehen, auf denen unsere Pferde stehen. Es wird mit Gras gefüttert, das für die Milchviehhaltung ausgelegt ist und nicht der eigentlichen Konsistenz von Steppengras entspricht.
Fundamental wichtig in dem Komplex Futter-Verdauung-Psyche ist eine gute, langsame, genussvolle Einspeichelung und lange Fresszeiten für Raufutter. Nur so fühlt das Pferd sich körperlich und seelisch wohl. Je besser die Einspeichelung erfolgt, desto schneller verlässt die Nahrung den Magen, ohne zu gären.
Kraftfutter wird, im Gegensatz zu Heu und Stroh, innerhalb weniger Minuten gefressen. Somit wird das Kaubedürfnis des Pferdes nicht befriedigt. Nicht artgerechte Fütterung kann durch die langanhaltende Überversorgung mit Energie in Form von Zucker, Kohlenhydraten und Fetten in Kombination mit Bewegungsmangel zu Stoffwechselproblemen führen. Beispiele sind Hufrehe oder EMS – das Equine Metabolische Syndrom. Außerdem können Koliken, Magengeschwüre und eine erhöhte Anfälligkeit für Verletzungen entstehen.
Der Mensch als Stressfaktor
Hat unser Pferd Stress, sollten wir auch uns selbst unter die Lupe nehmen. Hand aufs Herz: Welche Art von Beziehung und Führung besteht zwischen unserem Liebling und uns als Besitzer, Betreuer oder Trainer? Selbst wenn wir es gut meinen mit unseren Vierbeinern, können wir ein Auslöser für Stress sein – leider häufiger, als wir uns diese unangenehme und schmerzhafte Tatsache eingestehen. Aufgrund von Unwissenheit, Hektik im Alltag, Ungeduld und bedauerlicherweise manchmal auch Ignoranz werden viele kleine und große Signale unserer Pferde übersehen.
Ein typisches Beispiel hierfür ist das Gurten. Wie viele Pferde können dabei nicht stillstehen, versuchen sich zu entziehen, heben den Kopf oder das Bein hoch, schlagen mit dem Schweif, schauen misstrauisch in Richtung des Gurtenden oder beißen... und wie oft kommt der Kommentar: "Stell Dich nicht so an", und weiter geht's. Ursache für das Verhalten des Pferdes sind oft Schmerzen der Brustmuskulatur. Das kann man leicht überprüfen, indem man mit Hand den Bereich abstreicht und vor dem Gurten so lange streicht und leicht abklopft, bis das Pferd keine Abwehrreaktionen mehr zeigt.
Sehr wichtig zu wissen ist: Ein ängstliches oder massiv gestresstes Pferd ist physisch nicht in der Lage zuzuhören. Sein Körper ist in einer Alarmsituation, die es ihm unmöglich macht, sich "Gefahren" in Ruhe anzuschauen. Umso sinnloser ist es dann, ein Pferd, das unter Stress steht, durch die Situation zu "prügeln". Denn durch den Einfluss des vegetativen Nervensystems (Sympathikusaktivierung) werden bestimmte Hirnregionen vermehrt aktiviert, die Herzfrequenz erhöht sich und die Durchblutung der Muskulatur wird umorganisiert. Das Pferd ist auf Flucht eingestellt, und nur die dafür notwendigen Körperregionen werden richtig durchblutet. Andere Körperfunktionen werden "zurückgestellt". Das heißt im Klartext: Ein gestresstes Pferd kann nicht zuhören und lernen.
Ferner spielt es eine Rolle, dass unsere Pferde mit ihren Augen unterschiedlich sehen. Wenn sie etwas Aufregendes oder Angsteinflößendes mit dem linken Auge wahrnehmen, können sie mehr scheuen. Denn das linke Auge ist mit der rechten, emotionalen Gehirnhälfte verbunden.
Wir setzen unsere Pferde oft unwissend unter Druck
Warum lassen wir es so weit kommen, wenn wir doch so vieles vermeiden könnten? Wir lieben unsere Pferde. Wir erwarten, oft unwissend, Dinge von ihnen, die ihrem Naturell widersprechen. Wir üben einen enormen Druck mit unseren Ansprüchen aus. Obwohl Pferde erstaunlich anpassungsfähig sind, entsteht so ein tägliches Dilemma für sie. Wir sollten uns immer vor Augen führen, dass der Lebensraum der Pferde komplett anders ist als der Lebensraum von uns Menschen. Manche Dinge sind für uns unwichtig. Für das Pferd aber sind sie von höchster Bedeutung.
Jedes Lebewesen ist ein Individuum und sollte als solches wahrgenommen und, falls notwendig, behandelt werden. Sensiblere Pferde sind eher stressgefährdet als diejenigen, die sich an Veränderungen schneller und besser anpassen können. Bitte bedenken Sie, dass es auch innerhalb der diversen Rassen unterschiedliche Charaktere gibt. So kann es vorkommen, dass nach außen "aufgeregt" wirkender Araber die Eingliederung besser verkraftet und schneller Freundschaften knüpfen kann als ein "gemütlicher" Kaltblüter.
Checkliste: Häufige Stressauslöser bei Pferden
- akute Panik oder Schock
- Verletzung und Schmerzen (z.B. durch elektrische Stromleitung, allergische Reaktion, Bisse, Blutungen, Blitzschlag, Hitzschlag, Kollaps, Dehydration, Quetschungen, Kick, Luxation, Wunden, Zerrungen, Stürze, Frakturen, Vergiftungen, Zyanose, Hufrehe, Fieber, Erstickungsgefahr, Überanstrengung)
- Haltungsfehler
- Entbindung, Geburt
- Überforderung
- Verlust eines zwei- oder vierbeinigen Partners
- Umzug oder neue Eingliederung
- Transport
- tierärztliche Untersuchung
- Impfungen
Gefährliche Langzeitfolgen von Stress bei Pferden
Was passiert im Körper eines Pferdes, das ständig krankmachendem Stress ausgesetzt ist? Eine mögliche Spätfolge permanenter Stressbelastung ist z.B. eine Immunschwäche mit daraus resultierender, größerer Anfälligkeit für Infektionen. Andere typische Langzeitfolgen sind Gewichtsverlust durch Appetitlosigkeit und die Beeinträchtigung sämtlicher Organe: Herz (Blutdruck), Haut (Juckreiz, Ekzem, Warzen ), Blase, Niere, Magen (Gastritis, Magengeschwüre, Kolik).
Dauerhafte Anspannungszustände führen über die Zeit zu chronischer Erschöpfung, was sich auf die Psyche des Pferdes auswirkt und sich eventuell durch Rückenschmerzen äußern kann. Dies kann Kopfschmerzen oder anderen chronischen Schmerzen, Schlafstörungen, Hormonstörungen durch Stresshormone, Trauma, Apathie und Unarten wie Koppen und Weben den Weg ebnen. Für Züchter kann es durchaus interessant sein, dass andauernder Stress auch zu Unfruchtbarkeit führen kann.