Das Pferd hat keine Gallenblase. Die Gallenflüssigkeit wird ständig produziert und über Gallengänge in den Dünndarm (12-Fingerdarm) abgegeben. Galle ist eine alkalische Flüssigkeit mit Pufferwirkung. Sie enthält Eiweiße, Cholesterin und Gallensalze. Sie emulgiert Fette (verbindet Fett mit Flüssigkeit), die so von Verdauungsenzymen verwertet werden können. Zudem bindet die Gallenflüssigkeit Toxine und puffert den sauren Nahrungsbrei ab. Die Funktionsfähigkeit der Leber hat damit direkten Einfluss auf die Darmflora (im Darm lebende Mikroorganismen). Fett gelangt in Form von Lipoproteinen wieder ins Blut. Von dort aus werden sie zur Energieerzeugung (z.B. Muskelarbeit) oder als Speicherfett (z.B. Mähnenkamm) zum entsprechenden Zielort geführt.
Wie funktioniert die Entgiftung der Leber?
Die Leber gehört zu den wichtigsten Entgiftungsorganen des Pferdes. Doch wie arbeitet sie eigentlich? Die über die Nahrung aufgenommenen Proteine und verdauten Aminosäuren werden in körpereigene, dem Muskelaufbau dienende Eiweiße überführt. Überschüssige Aminosäuren werden in der Leber abgebaut und der Rest in energieliefernde Zuckerverbindungen umgewandelt. Dabei entsteht Ammoniak, welches in den über die Nieren ausscheidungsfähigen Harnstoff umgewandelt wird. Andere Giftstoffe werden über den Darm ausgeschleust.
Mit der Nahrung und über Haut und Lunge nimmt das Pferd auch körperfremde Stoffe auf, wie Wurmkuren, Medikamente, Impfstoffe, Schmerzmittel. Diese häufig toxischen Verbindungen werden in der Leber in unschädliche Verbindungen umgewandelt und über die Galle und Niere ausgeschieden. Zudem entstehen innerhalb physiologischer Stoffwechselprozesse ständig schädigende Substanzen (z.B. freie Radikale, Ammoniak). Auch bei allen entzündlichen Prozessen, Infektionskrankheiten, Stress und starker körperlicher Beanspruchung werden freie Radikale gebildet. Insbesondere durch Fütterungsfehler kommt es zu einem Ungleichgewicht der natürlichen Darmflora. Dabei entstehen Endotoxine (Bakterien-/Pilzgifte), die von der Leber entsorgt werden müssen.
Was sind die Ursachen für Leberprobleme beim Pferd?
- Fütterungsfehler: hohe Kraftfuttergaben, Eiweiß- oder Fettüberschuss
- schlechte Hygienequalität des Raufutters (z.B. schimmeliges Heu, Fehlgärungen der Silage)
- Parasitenbelastung
- Toxine (z.B. Pflanzenschutzmittel aus der Landwirtschaft, Holzimprägniermittel, belastende Inhaltstoffe aus Pflege- und Insektenschutzmitteln, Schwermetalle aus dem Tränkwasser), Bakterientoxine (z.B. durch Clostridien), Mykotoxine durch Schimmelpilze aus Heu und Stroh, Stoffwechselprodukte (z.B. freie Radikale, Ammoniakverbindungen), biogene Amine (z.B. Histamine, Putrescin, Cadaverin)
- Giftpflanzen (z.B. Herbstzeitlose, Jakobskreuzkraut)
- Dauermedikation (z.B. längerfristige Antibiotikagabe)
- Tumore
- Hepatitis erregerbedingt (z.B. Leptospirose, Übertragung über Nagerurin mitunter Auslöser der periodischen Augenentzündung) und virusbedingt mit fieberhaften Prozessen
- Parasiten (z.B. Leberegel, deren Endwirte eigentlich Schafe und Rinder sind, welche bei
gemeinsamer Haltung oder angrenzenden, insbesondere feuchten Weiden in Senken jedoch
auch Pferde befallen können. Im Lebergewebe führen sie zu Vernarbungen. Gängige
Wurmkuren töten Leberegel nicht ab, hierfür sind spezifische Wurmkuren notwendig) - Stoffwechselerkrankungen (z.B. Equines Cushing Syndrom/ECS, Equines Metabolisches
Syndrom/EMS)
Typischer Krankheitsverlauf bei Leberschäden
Ein Sprichwort besagt, der Schmerz der Leber sei die Müdigkeit. So ist es nicht verwunderlich, dass bei einem Pferd mit Leberproblemen mit unspezifischen Symptomen wie Appetitlosigkeit, Leistungsabfall, Mattigkeit und Haut-, Haar- und Hornproblemen gerechnet werden muss, die nicht sofort eingeordnet werden können. Ist ein Pferd schlapp und müde, kann das zahlreiche Gründe haben, wie warmes Wetter oder anstrengendes Training. Abgeschlagenheit ist aber auch immer ein Frühmarker für eine Leberschädigung. Gleiches gilt für Stichelhaare, Hungerhaare (einzelne im normalen Fell vorkommende längere Haare), Farbveränderungen (z.B. rötliches Deckhaar bei Rappen, dunkle Stellen bei Füchsen) oder Leistungsabfall.
Mit zunehmender Leberschädigung kommen Spätsymptome wie Gelbfärbung der Haut und Schleimhäute (Ikterus) und erhöhte Leberblutwerte hinzu. Leberprobleme können in einer Nierenschädigung münden, aber dieser auch vorausgehen. Die beiden Entgiftungsorgane sind voneinander abhängig, da sie funktionell verbunden sind. Alte und immunschwache Pferde sind häufig von Leberfunktionsstörungen betroffen. Man unterscheidet direkte (primäre, z.B. durch Parasitenbefall) von indirekten (sekundären) Lebererkrankungen. Diese treten infolge einer anderen Grunderkrankung auf (z.B. Kreuzverschlag, Stoffwechselerkrankungen wie Cushing).
Diagnose von Leberproblemen
Pferde sind wahre Kompensationskünstler. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die meisten Leberprobleme im Rahmen von Routineuntersuchungen oder erst spät erkannt werden, nämlich dann, wenn bereits deutliche Symptome vorliegen. Ähnlich wie bei eingeschränkter Nierenfunktion geht man davon aus, dass deutliche Symptome erst dann auftreten, wenn 70-80% der Leberzellen geschädigt sind. Anders als die Nieren ist die Leber jedoch ein regeneratives Organ. Selbst leicht erhöhte Blutwerte sollten ernst genommen werden, da man davon ausgehen kann, dass das Stadium der Kompensation bereits überschritten ist und die Leberfunktion schon eingeschränkt ist.
Blutwerte: Was deutet auf eine Lebererkrankung hin?
- AST (Aspartat-Aminotransferase)/GOT Glutamat-Oxalacetat-Transaminase) sind Enzyme, die vor allem in der Leber und der Muskulatur (auch im Herzmuskel) vorkommen. Sie werden bei Zellzerstörung freigesetzt und dann langsam ins Blut abgegeben. An diesem Wert kann man Lebererkrankungen und ihren Verlauf erkennen.
- ALT (Alanin-Aminotransferase)/GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase) ist ein Enzym, das bei Eiweißabbau beteiligt ist und vor allem in den Leberzellen vorkommt. Während AST eine höhere Muskelspezifität aufweist und eher bei schweren Leberschäden frei wird, ist ALT leberspezifischer und kann bereits bei leichten Leberschäden nachgewiesen werden.
- GLDH (Glutamatdehydrogenase) ist ein leberspezifisches Enzym, das auf ein gerade ablaufendes (akutes) Leberproblem hinweist.
- γ-GT (Gamma-Glutamyltransferase) ist ein leberspezifisches Enzym. Eine Erhöhung gibt einen sicheren Hinweis auf eine Lebererkrankung und reklektiert die Schädigung des Gallensystems.
- Gallensäuren werden in der Leber aus Cholesterin synthetisiert und mit der Galle ausgeschieden. Eine Erhöhung deutet i.d.R. auf einen Gallestau hin.
- Die alkalische Phosphatase kommt in vielen Geweben vor (Leber, Galle, Knochen, Darm). Eine Erhöhung kann einen Gallestau anzeigen, aber auch auf Darmentzündungen, Parasitenbelastung oder Tumore hindeuten. Beim Jungtier kann dieses Enzym aufgrund von Wachstumsprozessen physiologisch erhöht sein.
Darüber hinaus gibt es weitere Parameter, die zur Diagnostik einer Leberschädigung herangezogen werden können. Blutbilder sind Momentaufnahmen. In die Interpretation sollte stets das klinische Erscheinungsbild mit einbezogen werden.
Ein regelmäßiges labordiagnostisches Screening ist sinnvoll. Dabei ist zu beachten, dass die spezifischen Leberblutwerte meist langsam absinken, d.h. Nachkontrollen sollten zunächst nach 6-8, später etwa alle 12 Wochen erfolgen. In hartnäckigen, wiederkehrenden Fällen ist eine jährliche Kontrolle sinnvoll und sollte bei älteren und stoffwechselbelasteten Pferden (z.B. Cushing-Patienten) routinemäßig durchgeführt werden.
Bei extrem schlechtem Befinden kann eine Leberbiopsie sinnvoll sein.
Was sind die Symptome von Leberproblemen beim Pferd?
Pferde mit erhöhten Leberwerten müssen nicht zwingend klinisch auffällig sein. Häufig treten jedoch folgende Symptome auf:
- Lethargie
- Muskelabbau
- Gewichtsverlust
- Appetitlosigkeit
- Immunschwäche
- Durchfall oder Verstopfung
- Kolik
- Blähungen
- sauer riechender Kot
- Kotwasser
- Hautprobleme (z.B. Juckreiz, Mauke)
- eingeschränkter Fellwechsel (z.B. stumpfes Fell, verzögerter Fellwechsel, Abmagerung)
- schlechte Hufhornqualität
- häufiges Gähnen
- Lichtempfindlichkeit
- Übererregbarkeit
- Hautausschlag an Lid/Maul
- Gerinnungsstörungen mit Blutungsneigung
- Ödeme
Wichtig bei Leberproblemen: Fütterung anpassen
Bei allen Lebererkrankungen des Pferdes sollte die tägliche Futterration überprüft und entsprechend bedarfsgerecht angepasst werden. In der Akutphase sollte auf Kraftfutter verzichtet und ausreichend Raufutter (Heu und Stroh) verabreicht werden. Älteres Heu (später Schnittzeitpunkt) ist jüngerem vorzuziehen. Anstelle von Kraftfutter kann Mash, idealerweise auf mehrere Portionen verteilt, gefüttert werden. Es fördert die Darmflora und wirkt appetitanregend. Auf Silage sollte verzichtet werden. Einerseits ist Silage häufig keimbelastet und damit ursächlich an Darmdysbiosen beteiligt. Zudem enthält Silage aufgrund von Fehlgärungen häufig biogene Amine.
Leberstoffwechsel und Darmgesundheit sind eng miteinander verbunden. Verdauungsprobleme, insbesondere solche, die durch Bakterientoxine oder Schimmelpilzgifte hervorgerufen werden, belasten auch immer die Leber. Bei gestörtem Gallefluss leidet auch die Verdauung. Das Grundfutter sollte von einwandfreier Hygienequalität sein. Verschimmeltes Heu, Silage, graues oder modriges Stroh ist strikt zu vermeiden. Diese belasten nicht nur die Lebern, sondern führen häufig zusätzlich zu Atemwegsproblemen. Zudem sollte das Heu keine giftigen Pflanzenbestandteile enthalten.